
Als Klaudia Rieger-Katzmaier sich die Bilder angeschaut hat, ist ihr bewusst geworden, wie lange diese Verbindung nun schon besteht. Das Schöne daran: Sie ist auch erfolgreich. Eine Zusammenarbeit der besonderen Art. Sie, die Trainerin. Und er, der Athlet. Elf Jahre ist Markus Lell, als er seine ersten Übungseinheiten auf der Rollschuhbahn mit Klaudia Rieger-Katzmaier macht. „Zu Weihnachten hat er mir den Kalender geschenkt“, sagt die Trainerin. Sie lacht: „Was war er für ein schmächtiger Bub, ich hatte noch lange Haare und war schlanker.“
Wie die Zeit vergeht. Am Montagabend laufen sie strahlend nebeneinander ins Stadion am Europaplatz ein. Flankiert von Fackeln – gehalten von jungen Mitgliedern des REV Heilbronn. Sie tragen Hüte in diversen Farben und Formen. Ein Bild mit Symbolcharakter. „Wir ziehen den Hut“ steht auch auf dem Transparent, das sie für Markus Lell und Klaudia Rieger-Katzmaier gemalt haben. Weil der Neckargartacher – inzwischen ist er 26 – zum sechsten Mal WM-Gold geholt hat. „Ich freue mich nicht weniger als beim ersten Mal“, sagt Markus Lell. „Dass es der zweite Titel in der Pflicht ist, habe ich in der Zeitung gelesen.“
Beste Wertung Vor wenigen Tagen haben ihn die Kampfrichter im italienischen Novara vor den Augen seiner Schwester Stefanie, die in Italien lebt, in der Pflicht am besten bewertet. Da strahlt selbst der stets bescheiden auftretende Athlet, der seit Jahren von der Sporthilfe Unterland gefördert wird, als aus den Lautsprechern Freddy Mercurys „We are the champions“ dröhnt.
Markus Lell ist ein Champion. Und ein Kämpfer. Auf allen Gebieten. Körperlich stemmt er sich immer wieder gegen Malaisen. Dreifachsprünge bereiten auch mal Schmerzen. Dann ist da der unbedingte Wille, auch beruflich vorwärts zu kommen. Lell studiert Informatik – und hat jetzt, nach der Weltmeisterschaft, nur noch eineinhalb Monate Zeit, um seine Bachelor-Arbeit abzugeben. Das Thema: Standardisierung in 3-D-Druckern. Der Laie ahnt, dass es nicht ohne Herzblut, Disziplin, Fleiß und Ausdauer geht. „Die nächsten zwei, drei Wochen werde ich nicht auf der Bahn sein“, sagt Markus Lell. Danach wird er wieder trainieren. Feilen. Einstudieren. Wiederholen.
Denn da ist noch der Kampf um weitere sportliche Ehren. Mit dem Verband hat Markus Lell diese Saison abgesprochen, dass er die deutschen Meisterschaften nicht bestreitet, aber für die internationalen Einsätze bereit steht.
Auf den Punkt Wie eng es in der Weltspitze zugeht, hat Klaudia Rieger-Katzmaier in Novara beobachtet. Sie sagt: „Je älter Markus wird, umso nervöser ist er. Und doch bringt er es auf den Punkt hin.“ Auch diesmal. Zumindest in der Pflicht. In der Kür fehlt ihm die Energie. Er stürzt. „Das hat ihn ziemlich gefuchst, da hat er mir leid getan“, sagt die Trainerin. „Aber man kann es eben nicht mehr ändern“, sagt der Europameister. Nur beim nächsten Mal besser machen.
Als einziger Deutscher ist Markus Lell für die World Games im Sommer in Polen qualifiziert. Dort läuft er die Kür. Gegen die ausdrucksstarken Italiener und sprunggewaltigen Südamerikaner. Also kämpft er weiter. „Ich habe ja keine andere Wahl als weiterzumachen“, sagt Lell, lacht und verschiebt das Karriereende. Auch für die WM in China. „Dort war ich noch nicht, das motiviert einen nochmal.“
Er braucht Zeit, um eine neue Kür aufzubauen. „Kür mag ich allgemein mehr“, sagt Markus Lell. Eine Darbietung mit vielen Dreifachsprüngen. Weil das andere auch beherrschen, braucht es eine Choreographie, die fesselt und in der er seine Stärken betont. Typgerechte, kreative Elemente – und gute Nerven. In Novara hat Lell sie gehabt.
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