„Mein Gold wird die Welt nicht verändern“

Hut ab vor diesem Vierer (von links): Julia Lier, Carina Bär, Schlagfrau Lisa Schmidla und Annekatrin Thiele. Die strahlenden Olympiasiegerinnen beim Selfie nach der Siegerehrung in der Lagoa Rodrigo de Freitas. Foto: Lars Müller-Appenzeller

Carina Bär ist Olympiasiegerin. Die Ruderin von der Heilbronner RG Schwaben hat in Rio mit Lisa Schmidla, Julia Lier und Annekatrin Thiele im Doppelvierer Gold geholt. Im Interview spricht die 26-jährige Medizinstudentin aus Babstadt über den Coup.

Vor der Siegerehrung haben Sie tief durchgeatmet. Wie war sie?

Carina Bär: Das war die bedeutendste Siegerehrung, die ich je hatte. Aber hier geht alles so schnell. In manchen Sportarten ist es ja so, dass man am Abend seine Siegerehrung hat. Ich glaube schon, dass man das dann noch mehr genießen kann. Aber die Hymne zu hören, ist einfach super. Ich bin sonst nicht so, aber das ist schon was Besonderes.

Viele Athleten aus der Region waren schon bei Olympia. Sie sind die erste, die Gold geholt hat. Macht Sie das besonders stolz?

Bär: Nein. Das ist für mich eine Riesenehre, so ein goldenes Ding hier zu haben. Aber das wird die Welt nicht verändern. Sport ist schon ein Ego-Ding für die Sportler und super für das Land und alle, die so etwas unterstützen. Aber es gibt grundsätzlich Wichtigeres auf der Welt.

Die Gold-Fahrt war etwas Besonderes. Wie war die Taktik?

Bär: Es war so geplant, dass wir vorne rausgehen und Druck auf die anderen aufbauen – und nicht, dass wir den Polinnen nachjagen müssen. Wir haben uns aber auch immer als Möglichkeit mit vorgestellt, dass jemand anderes vorprescht und wir so gut es geht dranbleiben.

Das hat geklappt.

Bär: Wir hatten zum Ende noch was im Tank, sind wieder besser zusammengerudert. Und Lisa kann halt den Endspurt richtig gut hochziehen. 300 Meter vor dem Ziel habe ich ganz kurz rüber geschaut und gesehen, dass die Polinnen ganz schön gekämpft haben. Da haben wir gesagt: Jetzt gehen wir.

Inwiefern ist während der 2000 Meter Zeit, bewusst zu denken?

Bär: Wir teilen uns das mit Spurts und sowas ein, damit wir immer schön Beschäftigung haben im Hier und Jetzt. Die Spurts sagt Anne hinter mir an. Und wir sagen vorher, dass wir uns bei beispielsweise 300 Metern auf die und die Sache genau zehn Schläge lang konzentrieren. Aber bewusst denken? Ich versuche einfach, jeden Moment die Bewegung bestmöglich zu machen.

Also war da nicht der Gedanke: Blöd, jetzt sind die Polinnen weit vorne?

Bär: Zwischendurch habe ich schon gedacht: Okay, da müssen wir jetzt was machen (lacht). So etwas denkt man dann schon. Aber nicht: Was bedeutet es jetzt, wenn…

Wann wussten Sie, dass es Gold ist?

Bär: So einen langen Endspurt bin ich noch nie gefahren. Ich habe mich nur kurz zur Anne umgedreht und gefragt: Ja? Und sie hat geantwortet: Ja!

Wie sind Sie im Boot mit der Favoritenrolle umgegangen?

Bär: Im Prinzip ist das Rennen ja immer das gleiche, alles wie beispielsweise bei einem Weltcup. Ich versuche mir immer zu sagen, dass es eine Situation ist, die wir diese Saison schon acht Mal zusammen gehabt haben – in dieser Kombination das vierte Mal. Und dass wir viel gearbeitet haben und dass das in uns steckt, egal was passiert. Wir sind fit und können uns darauf verlassen.

Wie problematisch war die Verlegung des Rennens auf Donnerstag?

Bär: Vor genau einem Jahr habe ich gesagt: Am 10. August wollen wir auf den Punkt topfit sein. Das waren wir auch. Und dann wurden die Rennen verschoben auf den 11. August. Über Nacht habe ich dummerweise echt Schnupfen bekommen. Das ist so eine Riesenspannung, die sich da aufbaut auf das Event hin, wenn die ein Stück weit abfällt…

Sie sind krank?

Bär: Nein, nur etwas verschleimt. Wir haben alle damit zu kämpfen. Die Klimaanlage im Bus ist kalt, im Essenszelt ist es ultrakalt. Und es ist im Dorf unglaublich eng: Wir wohnen zu siebt in einer Drei-Zimmer-Wohnung, haben zu zweit acht Quadratmeter. Wenn einer krank wird, bekommen das alle mit.

Was macht dieses Boot aus?

Bär: Wir sind eine super Mischung von verschiedenen Charakteren, ergänzen uns recht gut. Am flippigsten ist die Julia. Ich bin in den meisten Fällen geordnet, ruhig. Die Anne ist sehr pflichtbewusst. Und Lisa ist manchmal ein bisschen grimmig und haut aber, wenn es darauf ankommt, einfach einen raus. Wir haben uns gut verstanden die Saison über. Das hat echt Spaß gemacht.

Wie froh waren Sie, als Sie am Morgen gesehen haben, dass nicht viel Wind ist?

Bär: Ich war froh, dass die Rennen gestartet wurden – weil noch mal einen Tag aufschieben, das wäre wirklich ätzend geworden. Gerade mit dem Schnupfen. Aber um ehrlich zu sein habe ich mir gewünscht, dass es wellig wird. Weil es Boote gibt, die damit schlechter umgehen können als wir. Die Polinnen und die Niederländerinnen zum Beispiel.

Ihr Freund (Florian Mennigen, Olympiasieger 2012 mit dem Deutschland-Achter) war tief bewegt.

Bär: Wir mussten nicht so viel sagen, lagen uns einfach in den Armen. Er hat ein paar Tränen in die Augen bekommen. Das war ihm ein bisschen unangenehm, weil so viele Leute drumherum waren. Aber der packt das schon.

Er weiß, was man für olympisches Ruder-Gold tun muss. Das hilft, oder?

Bär: Er hat extrem viel Geduld und Arbeit im Hintergrund geleistet. Eine Freundin zu haben, die jeden Samstag und Sonntag um 7.30 Uhr beim Training sein muss, ist auch nicht normal. Ich bin ihm super dankbar.

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