
Carina Bär überlegte einen Moment und gab eine vernünftige Antwort, exakter formuliert, eine von Vernunft gesteuerte: „Wir machen weiter unser Ding.“ Der deutsche Doppelvierer mit der Unterländer Sportlerin des Jahres von der Heilbronner RG Schwaben war am Samstag das einzige Boot des Deutschen Ruderverbandes (DRV), das sich direkt fürs olympische Finale qualifiziert hat. Die anderen vier deutschen Boote, darunter auch der hoch gehandelte Doppelvierer der Männer, mussten teilweise empfindliche Niederlagen hinnehmen, die allesamt in den Hoffnungsläufen beziehungsweise im Halbfinale noch auszubügeln sind. Aber sie haben an einem komplizierten Regattatag Kraft gekostet. Und Fragen aufgeworfen.
Chefbundestrainer Marcus Schwarzrock fasste den Tag, der vom heftigen Schiebewind ein Schaumkrönchen aufgesetzt bekam, als „enttäuschend“ zusammen. Aber damit meinte er natürlich nicht die Crew um Carina Bär. Denn die war schon vor dem ersten Wettkampftag auf der Lagoa Rodrigo de Freitas von Rio ein heißer Goldkandidat. Tag eins hat gezeigt: Annekatrin Thiele, Carina Bär, Julia Lier und Lisa Schmidla sind die personifizierte Goldhoffnung des Ruderverbandes. Was bedeuten die Ergebnisse der anderen für den Doppelvierer der Frauen? Das war die Frage gewesen, die Carina Bär mit „wir machen weiter unser Ding“ beantwortet hatte.
Bootslänge Vorsprung Bär und Co. hatten im letzten Rennen des Samstags beeindruckend ihr Ding gemacht. Die Polinnen führten bei 500 Metern minimal, der Stadionsprecher kommentierte, dass die Erwartungen des DRV „schwer auf den Schultern“ der Crew lägen. Das Team um die Krefelder Schlagfrau Lisa Schmidla schob sich an die Spitze. Und nach den zwei Kilometern war es in 6:30,86 Minuten ein klarer Sieg mit mehr als einer Bootslänge vor Polen (+ 2,57 Sekunden) und den USA (+ 9,92). Im zweiten Vorlauf hatte zuvor überraschend Titelverteidiger Ukraine (6:35,48) gewonnen und sich ebenfalls direkt fürs Finale qualifiziert. „Die anderen waren zu keinem Zeitpunkt gleich schnell wie wir und können sich schon mal was überlegen, wie sie uns schlagen wollen“, sagte Lisa Schmidla. Auch Kristof Wilke, Schlagmann des mit Gold dekorierten Deutschland-Achters in London und diesmal Ruder-Experte beim ZDF, war beeindruckt: „Die Vier sind sehr souverän gerudert und nach der Vorstellung gegen den Hauptkonkurrenten aus Polen unser heißestes Eisen im Feuer. Aber ich will den Druck nicht künstlich erhöhen.“ Sprach‘s und drückte Carina Bär mit inniger Herzlichkeit. Die war weniger euphorisch, stattdessen sachlich analysierend – wie es angehende Ärztinnen wie sie auch über Jahre hinweg gelehrt bekommen.
Schiebewind Die 26-Jährige aus Bad Rappenau-Babstadt war schon mal sehr froh, dass bei ihrem Start „die Schaumkronen weg waren“. Der heftige, aber alle Bahnen treffende Schiebewind hatte zuvor manchen unerfahrenen Einer den Kurs spektakulär verlieren und den serbischen Zweier bei den Männern gar kentern lassen. „Wir wollten am Anfang sicher über die Wellen kommen“, erklärte die von der Sporthilfe Unterland geförderte Carina Bär den verhaltenen Start „Das geht schon noch ein bisschen besser, das können wir noch aggressiver. Aber da war eben der Sicherheitsgedanke dabei. Wir müssen jetzt in den drei Tagen ohne Rennen uns gut erholen, weiterarbeiten und ganz wichtig: ruhig bleiben.“ Ruhe bewahren – das hilft nicht nur bei Schiebewind.
Bis zum Finale am Mittwoch (15.40 Uhr) wollen die Routinen abgearbeitet werden. Gestern waren die vier starken Frauen ein Mal auf dem Wasser, machten zudem eine Einheit auf dem Rad. Für heute ist eine Doppelschicht auf der Lagune angesetzt. Morgen steht eine Wassereinheit auf dem Programm, dazu Gymnastik. Und dann ist Mittwoch. Dann wollen die vier Weltrekordhalterinnen um Carina Bär ihr Ding machen. Das Ding scheint einen goldenen Schimmer zu haben.
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