
Foto: Frank Zeising
HANDBALL Die Neckarsulmer Torfrau Sarah Wachter gibt sich auf dem Feld extrovertiert, in der Freizeit ist sie immer für einen Spaß zu haben
Wenn Max kicken und schießen mag, schickt er seine Schwester ins Tor. Dass Sarah Wachter 20 Monate jünger ist als ihr Bruder, spielt heute keine Rolle mehr. Damals auf dem Sportplatz mit dem Papa aber ist die Sache schnell klar, die Kleine muss zwischen die Pfosten. Dort steht sie bis heute. Nur nicht mehr im Fußballtor.
Sarah Wachter ist der Rückhalt der Neckarsulmer Sport-Union, eine der besten deutschen Torfrauen der Handball-Bundesliga. Auch heute hechtet sie sich ab und an. Eine Reminiszenz an die Stunden mit Max. „Ich bin das durch ihn so gewohnt“, sagt Sarah Wachter und lacht, „das ist mal was anderes.“
In den Jugendmannschaften des SV Remshalden spielt das groß gewachsene Mädchen Rückraum links, wird gesichtet – und zum Lehrgang eingeladen. In dem Brief steht aber, die Eltern mögen ihrem Mädel doch bitte lange Hosen kaufen. Sarah Wachter fällt auf – als Torfrau, wohin sie die Trainer die letzten paar Minuten stellen. Kluges Scouting. Mit Korb steigt das Talent später in die 2. Liga auf, wechselt zum TV Nellingen und folgt im Sommer 2019 Trainer Pascal Morgant zur Sport-Union. In Wachters Vita stehen Einsätze bei der Jugend-WM und mit dem Juniorinnen-Nationalteam. Das große Ziel der 20-Jährigen: „Die Frauen-Nationalmannschaft, dort eine wichtige Rolle einnehmen und Champions League möchte ich auch gerne spielen.“
Zweier-WG Sarah Wachter fühlt sich reifer und selbstständiger als viele Gleichaltrige. In Obereisesheim hat sie eine Wohngemeinschaft mit Lucija Zeba. Was der Verein vor einem Jahr entscheidet, entpuppt sich als Glücksgriff. Wachter und die Kroatin, gegen die sie schon einmal in der Juniorenauswahl spielt, verstehen sich prächtig. Nun wechselt die 21-Jährigen den Club.
Wachter, Studentin der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuni Hagen, ist außerhalb des Feldes der Gute-Laune Bär. Im Training agiert sie jedoch voll konzentriert. Im Spiel fällt Wachters extrovertierte Art auf. „Ich bin richtig nass geschwitzt. Wenn ich zu laut werde, lenkt mich das aber auch ab und ich muss wieder runterkommen“, sagt Sarah Wachter. Konzentration erfordert Ausdauer. Die holt sich die Frau mit den langen Haaren bei Torwarttrainer Oliver Rieth. Er trägt einen gewichtigen Part an Wachters Weiterentwicklung, ihm vertraut sie. Also: Und was ist dran an der Behauptung, Torhüter hätten eine Macke? „Ein bisschen stimmt das, wir sind schon etwas verrückt. Ich reiße mega gern Witze“, sagt Wachter.
Kein Druck Der Handballsport bedeutet dem Mitglied des Sporthilfe-Perspektivteams viel – und doch bestimmt er nicht einzig ihr Athleten-Leben. „Viele denken, Leistungssportler machen sich immer nur Druck, Druck, Druck. Das ist bei mir gar nicht so. Es macht mich aus, dass ich vieles lockerer sehe, was manche voll ernst nehmen“, sagt Sarah Wachter. Diese Ruhe macht sie stark – und gibt ihr Selbstbewusstsein. „Wenn ich so weiterspiele, wird kein Weg dran vorbeiführen, dass ich irgendwann den Schritt ins Nationalteam schaffe.“ Ihre jungen Konkurrentinnen um einen Platz im Kader spornen Sarah Wachter an, noch mehr aus sich rauszuholen.
Gestützt wird Sarah Wachter von ihrem familiären Fanclub. Ihre Mama reist aus Remshalden an, oft auch die drei Cousinen, Max – und zur zweiten Halbzeit der Papa. Weil er in der familieneigenen Metzgerei viel zu tun hat, schafft er es meist erst mit Verspätung in die Halle. „Mein größter Fan ist mein Onkel“, sagt Sarah Wachter. Ihn schrecken nicht mal die vielen Kilometer vom Remstal nach Buxtehude.
Sarah Wachter ist ein Familienmensch. Ihre Freizeit verbringt sie meist daheim. Dann geht sie shoppen mit den Cousinen, die wie Schwestern sind – oder essen und entspannen im Landgasthof und Hotel Hirsch, das seit 1803 und damit bereits in der sechsten Generationen in Familienbesitz der Wachters ist. Sarah Wachter wäre nicht abgeneigt, die Tradition irgendwann fortzusetzen. Derzeit nutzt sie die Zeit, wenn die Metzgerei geschlossen ist, um mit dem Papa aufs Mountainbike zu sitzen. „Dann ist es regenerativer für mich“, sagt Wachter schelmisch.
In ihrer Heimat ist die Torfrau bekannt, nicht nur die Handballer verfolgen ihre Laufbahn – im Glauben, dass ihre Ziele bald real werden.