Mit Fleiß und Disziplin nach oben kämpfen

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TURNEN Der 19-jährige Daniel Wörz trainiert in Berlin bis zu sechs Stunden täglich und hofft, dass sein Körper die Belastungen besser wegsteckt

Für die Hände ist es eine Wohltat. Keine Dauerbelastung. Keine Blasen. Keine Schmerzen. Zeit zum Erholen. Auskurieren ohne ein schlechtes Gewissen zu haben – eine Seltenheit. Dem verletzten Handgelenk tut die Pause enorm gut.

Daniel Wörz lernt. In vielerlei Hinsicht. Der 19-Jährige versucht mit der Corona-Pandemie und ihren ungewöhnlichen Folgen umzugehen. Seine Schule in Berlin ist zu. Die Trainingshalle im Sportforum Hohenschönhausen geschlossen. Selbst das Internat und sein Zimmer dort bleiben momentan leer. Seit fünf Jahren lebt Daniel Wörz in der Hauptstadt, seit bald drei Wochen wohnt der Vorzeigeturner der TG Böckingen wieder bei den Eltern in Neckargartach – und lernt, dort auch im Haushalt mit anzupacken. „Es ist komisch, wieder zu Hause zu sein“, sagt das bescheidene Mitglied des Sporthilfe-Perspektivteams, „daran muss ich mich erst wieder gewöhnen“. Klingt ungewöhnlich und ist doch nachvollziehbar für einen, der mit 14 ausgezogen ist, um seinen sportlichen Turn-Traum wahrzumachen.

Zudem lernt der Reck-Spezialist aufs Abitur. Für den 22. April ist die Prüfung in Bio geplant. Sport ist bereits auf Mai verschoben. Wenigstens eine Präsentation hat Daniel Wörz schon Anfang März hinter sich gebracht. „Ob Bio wirklich stattfindet, ich dann in Berlin bleiben und wieder trainieren darf, weiß ich alles nicht“, sagt Daniel Wörz.

Weisheitszähne operiert Ungewisse Zeiten, die der junge Mann trotz aller Fragezeichen möglichst effizient nutzt. Wie mit einer Operation der Weisheitszähne. Raus damit, weil sie ihn in naher Zukunft ohnehin quälen würden. Dann lieber jetzt als zu einem unpassenden Moment. Leistungssportler sind nicht nur harte Kerle, sondern auch pragmatische Typen.

Daniel Wörz weiß, dass er 2019 wichtige Wettkämpfe verpasst hat. Bei den deutschen Meisterschaften im August fehlt er wegen eines Eiter-Abszesses am Handgelenk. Bei der Leistungsprüfung im Dezember fällt er wegen einer Entzündung am Handgelenk aus, behält aber glücklicherweise seinen Kaderstatus. „Das sind keine großen Verletzungen, aber zu blöden Zeitpunkten“, sagt Wörz. Das ist bitter für einen Willigen. Sich nach Rückschlägen immer wieder zu motivieren, zehrt.

Trainer Brian Gladow meint: „Für einen Turner ist am schlimmsten, wenn er nicht sein Bestes zeigen kann. Für die Perspektive ist es super wichtig, immer wieder die Leistungsfähigkeit nachzuweisen.“ Besonders bei einem wie Daniel Wörz, wo der Körper häufiger auf schmerzliche Weise Grenzen aufzeigt und Schwachpunkt ist. Der Unterländer ist verletzungsanfälliger, doch Turnen wird immer eine Hoch-Risikosportart bleiben.

Der Neckargartacher zählt zu den schwereren Turnern, da sind die hohen Belastungen bei täglich bis zu sechs Stunden Training und zehn Einheiten die Woche noch kniffliger wegzustecken.

Stolz Genau daran aber arbeitet der Bundesliga-Turner des Mannschaftsmeisters KTV Straubenhardt mit Brian Gladow. Sie harmonieren gut – und das ehemalige Nationalmannschaftsmitglied spürt sofort, wenn Wörz etwas belastet. „Weil der Kopf eine Riesenrolle spielt. Es fällt Daniel schwer, das auszublenden.“ Bei den Junioren-Europameisterschaften 2018 in Glasgow klappt sehr viel. Daniel Wörz holt Bronze am Reck, mit der Mannschaft wird er Sechster. Ein Highlight in seiner noch jungen Karriere.

Mitglied des Sporthilfe Perspektivteams zu sein, macht Daniel Wörz, der mit fünf Jahren angefangen hat, stolz. „Für mich ist es was Besonderes, in dem Team zu sein. Deshalb sollte man immer weiterkämpfen, egal in welcher Phase man ist. Das treibt mich an.“ Er weiß, nach den Spielen in Tokio verjüngt sich das Nationalteam weiter. Das ist seine Chance. Für Paris 2024. „Allerdings auch ein Muss, dann Fuß zu fassen“, sagt Brian Gladow. „Spätestens nach 2021 muss er zum Team gehören und seine Leistung bestätigen, um sich unentbehrlich zu machen. Daniel kann es schaffen, er turnt elegant, bringt seine Elemente sauber und kriegt viele Punkte.“

Es bedarf einer hohen intrinsischen Motivation, sich täglich in dem Dreieck Schule – Turnen – Internat zu bewähren. Die Tage des Daniel Wörz sind eng getaktet. Das erfordert Disziplin. Auch bei der Ernährung. Der Nationalmannschaftsarzt erstellt dem 19-Jährigen einen Plan. Also steht Daniel Wörz abends noch in der Gemeinschaftsküche des Internats und schnippelt Gemüse. Dazu gibt es Quark. Kohlenhydratarm soll es sein. Obst ist nur morgens oder mittags erlaubt. Und Schokolade? „Ab und zu“, sagt der junge Mann und grinst. Es kommt einzig auf die Dosis an.