
Es ist Olympia-Zeit. Für Sigrid Seeger-Losch bedeutet dies, ihre Olympia-Uhr mit dem weißen Leder-Armband anzuziehen. Das Spezielle daran: links zeigt sie an, wie spät es in Rio de Janeiro ist, rechts die Uhrzeit in Heilbronn. Praktisch, praktisch. Sigrid Seeger-Losch ist Olympia-Profi – nicht nur, weil sie Erste Vorsitzende der Kreisgruppe Heilbronn-Unterland-Hohenlohe der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) ist und in dieser Funktion gestern einmal mehr ehemalige und aktuelle Topsportler zum Unterländer Olympia-Stammtisch auf das Heilbronner Volksfest geladen hat.

Von den Spielen in Südamerika hat die 79-Jährige bisher Turnen angeschaut, den Vorlauf von Carina Bär verpasste sie. „Das habe ich dann im Olympia-Newsletter der Heilbronner Stimme nachgelesen, dafür bin ich dankbar“, sagt das Gründungsmitglied der Sporthilfe Unterland Heilbronn-Hohenlohe, die die Ruderin aus Bad Rappenau-Babstadt seit Jahren unterstützt.
Doping Fritz Hofmann, der 1954 mit den Neckarsulmer Boxern deutscher Meister geworden ist und immer wieder gerne zum Stammtisch kommt, sitzt vor dem Fernseher, als sich die 26-Jährige mit dem Doppelvierer fürs Finale qualifiziert. „Die sind bombig gefahren“, sagt Fritz Hofmann. Auch die Judoka und Schwimmer schaut sich der 90-Jährige an – nicht ohne sich Gedanken über die Dopingsituation zu machen. „Ich bin überzeugt davon, dass die Russen und die kenianischen Langstreckenläufer nicht sauber sind“, sagt der Sportler von einst, „viele Mittel sind doch nur kurzzeitig nachweisbar.“
Kritik übt Fritz Hofmann an IOC-Präsident Thomas Bach – und damit ist er nicht allein. Norbert Lamp, Vizepräsident der DOG und am Sonntagmorgen aus Darmstadt angereist, spricht in seiner Rede ebenso klar aus, was ihm missfällt. Fairplay ist für seine Organisation weit mehr als eine Worthülse.
Auch der Kanute Hans-Erich Pasch, 1972 in München und vier Jahre später in Montréal bei Olympia dabei, ist offen: „Ich bin froh, dass das Thema Doping total an mir vorbeiging und es für uns die Möglichkeit nicht gab.“ Inzwischen ist manches anders. In der Weltspitze sind die Athleten zumeist Profis. Pasch ist einst gegen die Profis aus dem Ostblock gepaddelt, nebenbei hat er acht Stunden bei Audi gearbeitet. Von zehn bis zwölf am Mittag hat er fürs Training freibekommen, das hängte er am Abend dran. Als die internationalen Erfolge gekommen sind, schenkte ihm der Arbeitgeber die zwei wertvollen Stunden. „Die Bedingungen heute sind ungleich schärfer, was das Gesamtpaket angeht“, sagt Hans-Erich Pasch.

Gigantismus Sein Verhältnis zu Großveranstaltungen ist gespalten. Zu unverschämt seien die Forderungen des IOC an die Ausrichter – auch in Rio. „Der Gigantismus muss weg, dafür wieder einfachere Spiele her“, sagt Pasch. Am Samstag verfolgte er die Ruder-Wettbewerbe und wunderte sich über die ungeeigneteLagoa Rodrigo de Freitas. „Da frage ich mich, warum sich die Verbände so etwas aufdrücken lassen? Auch beim Radrennen. Wie ein Radsport-Funktionär so etwas zulässt, ist mir schleierhaft. Die spielen doch mit dem Leben der Athleten“, sagt Pasch mit Blick auf die schweren Verletzungen der Profis.

Glücklicherweise plagen Eduard Popp derzeit keinerlei Wehwehchen. Der Schwergewichtsringer des VfL Neckargartach kommt aufs Volksfest, um sich abzulenken. Die Sportler honorieren seinen Besuch, machen Fotos mit dem Olympia-Starter. Der spürt, dass nach den Trainingstagen in Burghausen nun auch die Spritzigkeit in den Körper kommt. Am Mittwoch fliegt der 25-Jährige nach Rio. Von der olympischen Nachrichtenflut schottet er sich bewusst ab. Zu viel ist nicht gut. In seinem Kopf soll Platz für die Vorfreude sein. „Die Anspannung versuche ich auszublenden, die kommt von allein“, sagt Eduard Popp.